+++ streng geheim +++

Akte Wippermann

Raketenbunker im Hunsrück und der verzweifelte Versuch ihrer Geheimhaltung

- eine wahre Geschichte aus dem Hunsrück anno 1985 -

von Reinhard Sczech

 


Einleitung __ 8. Nach der Schrecksekunde
1. Brief an den Koblenzer Oberstaatsanwalt 9. Der Hilfsermittler
2. Der erste Kontakt 10. Grüß Gott Herr Pfarrer
3. Ankündigung einer Straftat 11. WDR Magazin Monitor live dabei
4. Die Staatsmacht schreitet ein 12. Die Dämme brechen
5. Bin ich nun Agent, Herr Wippermann? 13. Große Stunde des Feldwebel a.D. Joachim Mertes
6. Die Karte 14. Verrat, Verrat, Verrat
7. Wir sind doch keine Hampelmänner 15. Wippermann gibt auf
Der Spiegel Nr. 25 / 1986


+++ streng geheim +++





Einleitung

Im Hunsrück laufen 1985 im Rahmen des NATO Doppelbeschlusses (*) die
Vorbereitungen zur Stationierung von 96 Cruise Missiles (**)
auf Hochtouren.
Eine alte Raketenstellung bei Hasselbach wird mit über 180 Millionen DM ausgebaut.
Friedens- Kirchen- und Alternativgruppen organisieren Widerstand gegen diese
Stationierung. Höhepunkt ist am 10. Oktober 1986 in Hasselbach die mit ca. 180.000
TeilnehmerInnen größte politische Demonstration der rheinland-pfälzischen Geschichte.

 

** NATO Doppelbeschluß: Am 12.12.1979 faßte der NATO-Rat den
Beschluß, atomare Mittelstreckenraketen vom Typ Pershing II und Cruise
Missile in Europa zu stationieren. Begründung der NATO: sogenannte
"Nachrüstung" als Reaktion auf sowjetische SS-20 Raketen.
(USA: Henry Kissinger, Bundesrepublik: Helmut Schmidt)

Umgesetzt wird die Stationierung auf amerikanischer Seite von
Ronald Reagan
, auf deutscher von Helmut Kohl. Parlamentarischer
Bestätigung am 20.11.1983 in einer dramatischen Bundestagsdebatte
(z.B. Petra Kelly)

 

* Cruise Missiles: Marschflugkörper mit Atomsprengköpfen. Das Flugzeug
ohne Kanzel konnte mit einem "Marschtempo" fast in Schallgeschwindigkeit die
Strecke Hasselbach - Moskau in knapp zwei Stunden zurücklegen.
(Wer zuerst schießt, stirbt als zeiter ..)

 


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1. Brief an den Koblenzer Oberstaatsanwalt Braun, 23.5.85

 

Betr.: NATO-Bauvorhaben bei Hasselbach

Bezug: Ihre Hausdurchsuchungen bei der Redaktion "Hunsrück Forum"

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Braun,

ich beabsichtige in der ersten Juni Woche ein Flugblatt über die Cruise Missile Stationierung
bei Hasselbach zu verteilen.

Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der Redaktion "Hunsrück-Forum" haben mich sehr
verunsichert: Was darf ich noch schreiben und drucken ???

Ich beabsichtige den Abdruck der Lagekarte über die Anordnung der 6 Bunker, die auch
im HUNSRÜCK FORUM, taz und SPIEGEL abgedruckt wurden.

Darf ich das ??? Wenn nein, gegen welche Gesetze verstoße ich und mit welchen Strafen
ist zu rechnen ?

Ich wäre Ihnen für eine umfassende Rechtsbelehrung im Zusammenhang mit der Raketenbaustelle
sehr dankbar. Sie können sich sicherlich vorstellen wie unangenehm es wäre, wenn plötzlich die
Polizei mein Haus stürmt.

Mit der Hoffnung auf eine baldige Antwort

Mit vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech


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2. Der erste Kontakt

Sehr geehrter Herr Sczech

Nach § 109g StGB macht sich derjenige strafbar, der von einer militärischen Einrichtung eine Abbildung
oder Beschreibung anfertigt oder eine solche Abbildung oder Beschreibung an einen anderen gelangen läßt
und dadurch wissentlich die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Schlagkraft der Truppe
gefährdet.

Die Veröffentlichung der Lagekarte des Cruise-Missiles-Standortes bei Hasselbach/Hunsrück stellt nach
Beschluß der Staatschutzkammer des Landgerichts Koblenz eine solche Gefahr da. Demgemäß müßte gegen
Sie ein Ermittlungsverfahren wegen sicherheitsgefährdenden Abbildens eingeleitet werden.

Mit freundlichen Grüßen



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3. Ankündigung einer Straftat

An den Oberstaatsanwalt Staatsanwaltschaft Koblenz

Ihr Zeichen: 410 E-6/85

Bell,den 30.Mai 1985

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Zunächst einmal herzlichen Dank für die schnelle Beantwortung meiner Anfrage.

Beachtlich finde ich es, daß Sie als erste staatliche Behörde öffentlich Hasselbach
als Cruise Missile Standort bestätigen.

(Zu Ihrer Information: Der Bundesverteidigungsminister spricht lediglich von einem "neuen
Waffensystem", der Raum Wüschheim wird als Stationierungsgebiet angegeben.)

Sie schreiben, gegen mich müßte ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, wenn ich die
schon näher beschriebene Lagekarte des Cruise Missile Standortes öffentlich verbreite.

Begründung: "...wissentliche Gefährdung der Sicherheit der BRD oder Schlagkraft der
Truppe...."

Mit Verlaub gesagt: Diese Begründung im Hinblick auf die bisherige Informationspolitik
der Bundesregierung läuft stark in Gefahr nur noch satirisch betrachtet zu werden, denn:

Ich meine unsere Rechtsordnung und die Achtung der staatlichen Organe wird durch
Mißbrauch unterhölt oder gar der Lächerlichkeit preisgegeben.

Im Interesse der Wahrung demokratischer Rechte habe ich mich entschlossen
trotz Ihrer Mitteilung die Lagekarte des Cruise Missile Standortes Hasselbach
öffentlich zu zeigen.

Termin: 2.Juni 1985, Gemeindehaus Hasselbach
Beginn: 14.00 Uhr

Ich hoffe Sie werden nach Kenntnisnahme dieses Schreibens von Ermittlungen absehen -
andernfalls würde ich im Vertrauen auf unsere Rechtsprechung einer gerichtlichen
Auseinandersetzung ruhig entgegensehen.

Mit freundlichen Grüßen

Reinhard Sczech


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4. Die Staatsmacht schreitet ein

 

Zu dem angkündigten Termin in Hasselbach erscheinen zwei Kriminalbeamte. Ihnen ist
der Vorfall sichtlich unangenehm. Ich erkläre Ihnen mein Vorhaben, den anwesenden
Mitgliedern Hunsrücker Friedensinitiativen eine Kopie der Lagekarte zu zeigen.
Die Beamten bekommen erläutert, dieses sei ein "formaler Akt", da allen die Karte sowieso
schon bekannt sei! Die Beamten zeigen Verständnis aber Dienst ist Dienst.
Ich werde aufgefordert die Kopie "herauszugeben" - was ich auch ohne weitere Widerrede mache.

Es ist einer der wenigen schönen Sommertage dieses verregneten Jahres 1985.




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5. Bin ich nun Agent, Herr Wippermann?

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Auf Ihre Anordnung hin beschlagnahmten Polizeibeamte meine Lagekarte des
geplanten Cruise Missile Standortes Hasselbach.

Nie wäre mir auch nur im Traum eingefallen, so schnell im "Geheimagenten - Milieu"
zu landen. Da nehme ich eine Karte, die unter anderem im Nachrichtenmagazin
"DER SPIEGEL" abgedruckt wurde - und schon ist es passiert.

Nun will ich natürlich nicht nur "staatszersetzend" wirken, sondern auch mit einigen
Tips bei Ihrer schweren Arbeit behilflich sein. Denn mir ist selbstverständlich auch klar,
wie schwierig Sie es mit der Geheimhaltung haben, wenn amerikanische Soldaten
Bedienungsanleitungen der Pershing II Rakete auf den Müll schmeißen und die
Illustrierte "STERN" sich nicht scheut, das zu veröffentlichen.

Doch zu unserer Lagekarte, was tun ? Sie haben bei Ihrer Arbeit schon schwerwiegende
Fehler begangen. Denn Sie ließen die Ausgaben des "HUNSRÜCK-FORUM"
beschlagnahmen - nicht aber den "SPIEGEL".

Nun weiß ich von einem Bekannten in der DDR, daß dort der "SPIEGEL" vom
Staatssicherheitsdienst gelesen wird - hingegen war ihm das "HUNSRÜCK-FORUM"
kein Begriff.

Nun sitzen Sie natürlich im Schlamassel. Da hilft es wenig, wenn Sie meine Kopie
erfolgreich erwischt haben. Erstens habe ich noch mehr davon, zweitens sehen Sie
wohl ein, wie unwahrscheinlich es ist, daß der "Feind" nicht schon alles weiß.

Aber es kommt noch dicker: Im angesehenen "SCIENTIFIC AMERICAN" schreiben
amerikanische Wissenschaftler, die optische Auflösung der Satellitenaufklärung liege
bei ca. 10 cm. Wenn Sie sich jetzt "unsere" Karte ansehen, werden Sie mir bestimmt
zustimmen, daß Satellitenaufnahmen bedeutend mehr Details "verraten" !!!

Die "Kampfkraft der Truppe" ist damit wohl ganz dahin. Hinzu kommt, da Satellitenaufnahmen
mit Computern ausgewertet werden, sind sogar Bewegungsbilder rund um die Uhr vorhanden.

Hierzu habe ich für Sie einen kleinen Tip: veranlassen Sie doch bitte den Bundesverteidigungsminister,
die gesamte CRUISE MISSILE Station bei Hasselbach mit einer Halbkugel aus schwarzer
Folie abdecken zu lassen. Da werden sich die Russen ganz schön ärgern.

Falls die "Kampfkraft der Truppe" dann erwartungsgemäß ansteigt, bitte ich um
freundliche Beachtung bei Verleihung der nächsten Bundesverdienstkreuze
.

Doch wie geht es nun kurzfristig weiter ? Ich denke, zunächst sollten wir weiterhin
die Karte im Spiel lassen. Deshalb kündige ich hiermit die nächste öffentliche "Verteilung"
an. Damit will ich Ihnen Gelegenheit geben, weitere Argumente zum Schutze dieses, unseres
Landes, vorzubringen.

Um die Wege der von Ihnen sicherlich wieder beauftragten Polizeibeamten zur
Beschlagnahmung kurz zu halten, wurde von mir der folgende Ort gewält:

Mit der unerschütterlichen Hoffnung auf eine baldige Antwort

verbleibe ich mit

vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech



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6. Die Karte

So sieht die hartumkämpfte Karte aus. Hier eine Orginalkopie aus dem SPIEGEL
(
Seite 14 aus "DER SPIEGEL" Nr. 17/1985)



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7. Wir sind doch keine Hampelmänner

In der Simmerner Polizeiwache verteile ich Kopien der ersten Briefe an Oberstaatsanwalt
Wippermann und "die Karte". Die Beamten sind sehr interessiert.

Dann werde ich zu Kriminal Oberkommissar Bechtholt geführt. Er hatte schon auf meine
Ankunft gewartet.

Der nette Beamte erläutert mir die Gesetzlage. Dann werde ich gefragt, ob ich weiterhin die
Kopien verteilen werde. Ich antworte andächtig mit "ja".

"Wir sind doch keine Hampelmänner" entfährt es ihm da. "Sie kündigen dem Staatsanwalt
einen Termin an und der schickt uns los. So geht das nicht weiter. Wenn das wirklich so
geheim ist, müssen wir Sie einsperren ! Ich rufe jetzt beim Staatsanwalt an und behantrage
Haftprüfung."

Oberstaatsanwalt Fink hat Dienst und läßt prüfen. Vorbeugehaft ist "nicht drinn". Ich werde
vernommen und dann dem Richter vorgeführt, der einen Hausdurchsuchungsbefehl unterschreibt.
Auch dem netten jungen Richter ist der Vorgang sehr peinlich - aber Dienst ist Dienst.

Die Hausdurchsuchung verläuft glimpflich. Ich trinke mit den Polizeibeamten Kaffee, wir
plaudern, anschließend gebe ich ihnen einige Kopien der "Geheimkarte". (natürlich gegen
Quittung) Auch die Seite 14 aus dem SPIEGEL Nr.17/1985 wird rausgerissen und auch
sichergestellt!


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8. Nach der Schrecksekunde

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Nun hat man mir aber einen gewaltigen Schreck eingejagt. Sogar in das Gefängnis sollte
ich vorbeugend eingesperrt werden !

Dann die anschließende Hausdurchsuchung: gründlich ! Sie können es glauben, bei mir
ist nichts mehr zu holen.

Nach den Schrecksekunden heute war ich natürlich direkt bei einem Rechtsanwalt. Was
ich dort gesehen habe, Sie werden es kaum für möglich halten: Im Wartezimmer eines
deutschen Rechtsanwaltes, frei zugängig für die Öffentlichkeit, liegt da das
Nachrichtenmagazin "DER SPIEGEL" Heft Nr. 17 vom 22. April 1985 !!!

Aufgeschlagen: Seite 14, mit den geheimen Bunkerskizzen des geplanten CRUISE MISSILE
Standortes bei Hasselbach. Natürlich bin ich Ihnen auch diesmal wieder behilflich, um die

"Schlagkraft der Truppe" zu schützen. Die Adresse des Rechtsanwaltes: Hans-Joachim
Becker, Bahnhofstraße, 5448 Kastellaun.

Wie Sie sicher auch wissen, spricht sich schnell herum wo geheime Sachen noch frei
zugänglich sind.

Einige Fragen hierzu:

Ich bitte um dringende Beantwortung meiner Fragen, da ich mich oft an öffentlich zugänglichen
Wartezimmern, Büchereien oder Gaststätten aufhalte. Ich kann doch nich einfach wegsehen wenn
ich z.B. bei meinem Hausarzt den alles "enthüllenden" SPIEGEL sehe.

Mit der Hoffnung auf eine baldige Antwort und in dem ehrlichen Angebot zur Kooperation
verbleibe ich mit

vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech


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9. Der Hilfsermittler

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

 

Ich möchte Ihnen noch einmal dafür danken, daß Sie mich mit einer entschlossenen Aktion davor
bewahrt haben, die "Schlagkraft der Truppe" zu schwächen.

Das ist inzwischen geschehen: Die US-Soldaten des nahen Luftwaffenstützpunktes "HAHN" sind
schon so geschwächt, daß sie diese Woche bei voller Fahrt eine schwere Planierraupe verloren haben !

Ich hatte letzte Nacht erste Alpträume. Was hätte alles geschehen können, wenn ich mein unseliges
Werk fortgesetzt hätte ???

Am Ende hätte, die bis zur Ermattung geschwächte Truppe, gar unser schönes Dorf Bell in Schutt
und Asche gelegt.

Sie müssen wissen, die Soldaten haben hier noch viel kompliziertere Sachen als "Planierraupen".
Demnächst wollen sie sogar regelmäßig mit gefechtsbereiten, atomar bestückten CRUISE MISSILES
im Hunsrück üben. Zum Glück ist ihr oberster Befehlshaber, der "Western" erfahrene Filmschauspieler
Ronald Reagan.

Der Präsident hat im Film schon manche brenzlige Situation entschlossen bereinigt. Da können wir
Bürger um die Raketenbaustelle doch etwas beruhigter schlafen.

Unser gemeinsamer Kampf um die Geheimhaltung der CRUISE MISSILE Stellung bei Hasselbach ist
noch nicht gewonnen. Gestern mußte ich bei einem Einkaufsbummel in Kastellaun/Hunsrück furchtbares
entdecken:

Die Grünen haben sich nicht gescheut, in ihrem Heft Nr.4/1985, der "Grüne Rheinlandpfälzer", eben jene
geheime Karte gestochen scharf abzudrucken. Alles wird unverhüllt gezeigt. Verrat !!! Verrat !!!

Mir ist fast das Herz stehen geblieben.

Selbst in Kastellaun - hochsensible Garnisonsstadt - kann dieses Heft im BIODOMUS-Laden, in der
Bahnhofstraße, von jedem eingesehen oder mitgenommen werden. Noch schlimmer, es wird sogar
landesweit verteilt !!!

Herr Oberstaatsanwalt Wippermann:

Schlagen Sie unerbittlich zu ! ! !

Sicher, die Staatsanwaltschaft hat auch andere Probleme: Rauschgiftkriminalität, Wirtschaftsverbrechen,
Prostitution, Banküberfälle, Mord und Totschlag. Aber was ist das schon, wenn es um die Schlagkraft der
Truppe geht ???

Ich weiß, leider verstehen dieses nicht alle Bürger. Vergessen Sie bitte nicht, sich beim Innenminister
für eine spezielle Schulung der Kriminalpolizisten einzusetzen.

Im Rahmen der schwierigen Ermittlungen ist ein braver Beamter leider schon ausgelacht worden !
Er leidet schwer darunter !!!

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann, Sie können absolut sicher sein, auch in Zukunft
werde ich Sie intensiv unterstützen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech

Im Biodomus Laden in Kastellaun tauchen kurze Zeit darauf Kriminalolizisten auf und wollen die
geheime Karte beschlagnahmen. Die ist aber leider schon "vergriffen".

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10. Grüß Gott Herr Pfarrer

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Nun bin ich ganz perplex, denn ich habe eigene Untersuchungen über die "geheime" Lagekarte des
CRUISE MISSILE Standortes Hasselbach angestellt.

Das sind Tatsachen:

Nur im Hunsrück gibt es "Ermittlungen" und Hausdurchsuchungen. Meine "handvoll" Kopien wird
beschlagnahmt.

Sehr geehrter Herr Wippermann, ich habe natürlich hierfür noch keine Erklärung. Freunde meinten,
dahinter stecke Politik. Dem mußte ich natürlich entschieden wiedersprechen. Denn in Berlin (taz),
Hamburg (SPIEGEL), Düsseldorf (Volkszeitung), Bonn und Mainz (Grüne) gibt es unterschiedliche
Regierungen. Zumindest in Berlin und Mainz hätte es zu "Ermittlungen" kommen müssen.

Unwissende unterstellten gar, die Staatsanwaltschaft wisse nicht, was in den oben genannten Zeitungen
abgedruckt wird. Da mußte ich natürlich herzlich lachen.

Aber was ist richtig ? Kommt es darauf an

Fragen über Fragen. Ich nehme an, Sie haben ein ausgeklügeltes System, mit welchem Sie die
gefährlichsten "Verteiler" bei "geringstem Aufwand" erwischen wollen.

Die Hunsrücker haben keine Lobby. Sie haben sich bisher doch auch alles gefallen lassen, was
"von Oben" kam. Für den Hunsrück gibt es großartige Aufrüstungspläne. Ich sehe ein, da muß radikal
durchgegriffen werde. Da muß wieder Ruhe einkehren !!!

Leider habe ich Ihnen eine weitere Anzeige zu machen: Verantwortungslose Elemente,
haben in den evangelischen Gemeindesaal Bell, unser aller geheime Karte aufgehängt !
Sogar vergrößert, für Kuzsichtige und Rentner !!!

Sehr geehrter Herr Wippermann, ich hoffe Sie wissen meine Tips zu schätzen. Informieren Sie mich
bitte darüber, ob das Ermittlungsverfahren gegen mich eingestellt wurde.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech

Kriminalpolizisten besuchen den evangelischen Gemeindesaal in Bell. "Grüß Gott Herr Pfarrer!"
Die Karte hängt wider erwarten der Beamten tatsächlich an der Wand. Welch ein Glück !
Dem Pfarrer August Dahl wird erklärt, daß sonst "eine Anzeige gegen den Sczech wegen
wissentlicher Falschanzeige" fällig gewesen wäre.




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11. WDR Magazin Monitor live dabei

 

Das WDR Politik-Magazin Monitor hat inzwischen von den Auseinandersetzungen mit
Oberstaatsanwalt Karl-Heinz Wippermann gehört. Das Fernsehteam würde gerne eine
"Beschlagnahmeaktion" live filmen. Ich schreibe also erneut an Wippermann:

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Am Montag, dem 1. Juli 1985, werde ich Kopien der Lagekarte des CRUISE MISSILE Standortes bei
Hasselbach öffentlich verteilen. Von Beschlagnahmungen bitte ich abzusehen, da diese Aktion nicht
nur als legal - sondern auch als äußerst notwendig eingeschätzt werden muß.

Ich beginne mit der Verteilung um 15.00 Uhr, vor dem Amtsgericht in Simmern. Neben der Karte werde
ich eine Dokumentation über die Hintergründe der von Ihnen hierzu veranlaßten Polizeiaktionen verteilen.
Das Amtsgericht Simmern wurde gewählt, um insbesondere die Zielgruppe der Justitzangestellten anzusprechen.

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann, glauben Sie ja nicht, ich würde Ihre bisher veranlaßten
Polizeiaktionen nicht ernst nehmen. Ich weiß die Wirkung von Hausdurchsuchungen durchaus zu würdigen.
Was mich lediglich wundert, bei Schmiergeldzahlungen an hohe Politiker sind sie äußerst zurückhaltend -
oder haben Sie wegen der komplizierten Ermittlungen im Hunsrück, bisher noch keine Zeit gehabt, die
beschlagnahmten Papiere aus dem Tresor des Herrn Scholl auszuwerten ?(Anmerkung: FDP
Landtagsabgeordneter, der 1985 einen Juwelierladen in Baden-Baden ausraubte.)

Im Spiegel werden Sie mit den Worten zitiert: "Bei uns ist es so, daß der Staat und seine Gesetze eine
gewisse Gewichtung haben." Wie Wahr ! ! ! Danach muß nichts mehr geschrieben werden.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech

Am 1. Juli 1985 hat Polizeihauptkommissar Leibrock einen schweren Arbeitstag. Monitor filmt vor
dem Amtsgericht Simmern seine etwas lächerlich wirkende Beschlagnahmung. Nachdem er mir die
Kopien abgenommen hat, frage ich ihn: "Wollen Sie bitte auch das Orginal, den SPIEGEL beschlagnahmen ?
Dann kann ich keine Kopien mehr anfertigen " Ein bange Sekunde, er blickt kurz in die Kamera, dann
kommt kurz und entschlossen die Antwort: "Nein!"


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12. Die Dämme brechen

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Am Montag, dem 1. Juli 1985, woltte ich Kopien der Lagekarte des CRUISE MISSILES Standortes bei
Hasselbach öffentlich verteilen. Sie ließen diese Karten - Kopien aus dem Nachrichtenmagazin
"DER SPIEGEL" - beschlagnahmen. Da war ich baff ! ! !

Ich dachte, inzwischen wäre die Karte nicht mehr geheim. Ralf Herberholz, in der letzten Legislaturperiode
SPD-MdB, hat mir nämlich eine Kopie übergeben. Raten Sie bitte mal woher er das Orginal hatte ? - Von der
Pressestelle des Bundestages !

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann. Nun bitte ich Sie die nächste Hiobsbotschaft gefasst
zu nehmen:

MdL Joachim Mertes, aus Buch im Hunsrück, hat eine komplette Dokumentation, inklussive der
inkriminierenden Karte, an die SPD Fraktion im Mainzer Landtag verteilt. Insgesammt 43 Kopien !

Das wäre ja noch nicht die Katastrophe, denn Mainz ist weit weg von den Raketen. Die Geheimhaltung
nimmt bekanntlich direkt proportional mit der Entfernung von der Hasselbacher Raketenstation
ab.

Was der sozialdemokratische Unhold - in vollem Bewußtsein der Geheimhaltungsmathematik - getan hat, klingt
unglaublich:

Er wußte die Simmerner Polizeikräfte durch meine Aktion an das Amtsgericht gebunden. Dies hat er schamlos
ausgenutzt und unsere geheime Karte im Simmerner Kreistag verteilt.

21 Kopien, verteilt an CDU, SPD, FDP und Grüne Kreistagsmitglieder.

Der Herr Landrat Dr. Jäger, oberster Polizeichef des Rhein-Hunsrück-Kreises, hat tatenlos zugesehen ! ! !

Ich kann mir gut vorstellen, dieser Verfall von Sitte und Gesetz ist für einen Leitenden Oberstaatsanwalt
deprimierend. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, den Herrn Abgeordneten Mertes
hiermit anzuzeigen
.

In seinem Bürgerbüro, Durchgang für Hunderte, ahnungsloser Hunsrücker Bürger, liegen Kopien der
Lagekarte offen aus. Jeder der will, kann sich bedienen. Um die Ermittlungsarbeit zu erleichtern:
Das Bürgerbüro ist in Simmern, Gerbereistraße 4.

Mit einem aufmunternden Gruß vom schönen Hunsrück und

vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech


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13. Große Stunde des Feldwebel a.D. Joachim Mertes

Hunsrücker Zeitung 6. Juli 1997:

"Ringen um ein offenes Geheimnis"

Foto: Werner Dupuis

"Kein Geheimnis ist für den SPD-Abgeordneten Joachim Mertes die Lagekarte, die er in
seinem Bürgerbüro zeigt und öffentlich ausliegen hat und die er auch kürzlich vor der
Kreistagssitzung verteilte. Ob auch gegen ihn ermittelt wird, steht noch nicht fest."

 

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Nun ist es soweit, die Presse berichtet ungehemmt über unsere geheime Lagekarte. Das bringt mich in arge Verlegenheit.
Meine Tante aus Dortmund hat nämlich davon erfahren. Gestern hat sie angerufen und möchte eine Kopie des Artikels
aus der Hunsrücker Zeitung vom 6. Juli 1985.

Ich bin ratlos !

Wie Sie inzwischen sicher auch gesehen haben, hält der Landtagsabgeordnete Mertes, ganz frech die
Geheimkarte in die Kamera.
Was soll ich tun ? Darf ich trotzdem eine Kopie anfertigen und an meine
Tante in Dortmund schicken ? Oder gefährdet das auch die Schlagkraft der Truppe ?

Wie verworren die Situation ist, zeigt die Äußerung des FDP Bundestagsabgeordneten Professor Dr. Rumpf
gegenüber der Presse, es sei "alles Kiki". Ihre ernsthaften Bemühungen: "Kiki". Hat man da noch Worte ???

Ich habe eine polizeiliche Vorladung als "Beschuldigter" bekommen und mache mir Gedanken. Sollen doch
die Herren aus Bonn Informationen an die Bürger verteilen - dann können Sie denen mal zeigen, daß mit
Ihnen nicht zu spaßen ist !!!

Immerhin können Sie jetzt schon gnadenlos bei der Redaktion der Hunsrücker Zeitung in Simmern zuschlagen.
Hier gilt es rechtzeitig Zeichen zu setzen, sonst wird die Presse übermütig. Wenn erst die BILD-Zeitung
loslegt .... oweh oweih.... (Ein kleiner Tip zur Erleichterung der Ermittlungsarbeiten: der Herr Fotograph ist
aus dem Stationierungsort HASSELBACH !)

Bitte beantworten Sie umgehend meine Anfrage bezüglich der Tante. Lassen Sie bitte "Gnade vor Recht"
ergehen und drücken Sie ein Auge zu. Erhalte ich keine Antwort, gehe ich davon aus, es ist alles in Ordnung.

Für Ihre aufopferungsvollen Bemühungen, auch denen des Herrn Oberstaatsanwaltes Fink, von denen ich
aus der Hunsrücker Zeitung erfahren habe, möchte ich mich ganz herzlich bedanken !

Mit vorzüglicher Hochachtung

Reinhard Sczech


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14. Verrat, Verrat, Verrat

 

Ich schreibe nun an das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung in Bonn:

Für eine Informationsveranstaltung im Hunsrück benötige ich dringend die Kopie eines Artikels aus dem
SPIEGEL, Heft Nr. 17, vom 22. April 1985. Es handelt sich um die PANORAMA Seite 14, "Folgen einer
Enthüllung". Der Artikel befaßt sich mit der geplanten Stationierung von 96 Cruise Missiles im Hunsrück.
In diesem Zusammenhang wird auch eine Lagekarte abgedruckt.

Leider ist der "SPIEGEL" hier schon vergriffen. Da es im Hunsrück keine guten öffentlichen Bibliotheken
gibt, weiß ich nicht wo ich mir eine Kopie besorgen könnte.

Bitte schicken Sie mir möglichst schnell eine Kopie zu.

Zur Unkostenerstattung füge ich einen Verrechnungsscheck über 5,- DM bei.

Die Bonner Behörde erfüllt meinen Wunsch sofort und liefert die gewünschte Spiegel-Seite sogar im Orginal!

 

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt Wippermann !

Verrat ! ! ! Verrat ! ! ! Verrat ! ! !

Es klingt unfaßbar und doch ist es geschehen: Die Bundesrepublik Deutschland gefährdet die Sicherheit der
Bundesrepublik Deutschland und die Schlagkraft der Truppe !

Ist diese Republik zum Tollhaus geworden ?

Das "PRESSE- UND INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG" hat die geheime Karte des
CRUISE MISSILE Standortes bei Hasselbach/Hunsrück für eine öffentliche Informationsveranstaltung
weitergegeben !

Ich habe unerschütterliche Beweise !

Im Schreiben vom 30.5.85 teilten Sie mir mit, daß die Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz am 29.4.85
(mit Aktenzeichen-1Qs 149-150/85-) die Verbreitung eben jener Karte nach § 109 g STGB zum Straftatsbestand erklärt hat.

Hiermit stelle ich Strafanzeige gegen das "PRESSE- UND INFORMATIONSAMT DER BUNDESREGIERUNG" in Bonn !

Sehr geehrter Herr Oberstaatsanwalt, gestern mußte ich zur polizeilichen Vernehmung, weil mir eben
jener Straftatsbestand vorgeworfen wird. Meine Dokumente beweisen, daß gerade vorgestern, am 8.7.85,
das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung selbige Tat begangen hat. Ich stelle Ihnen alle
Beweise selbstverständlich für die Ermittlungsarbeiten zur Verfügung. Bitte nehmen Sie diesbezüglich
umgehend Kontakt mit mir auf. Aus verständlichen Gründen möchte ich das Beweismaterial nicht der
DEUTSCHEN BUNDESPOST zur Beförderung anvertrauen.

Wegen der Wichtigkeit - eine Staatskrise ist möglich - stehe ich Ihnen natürlich Tag und Nacht zu Verfügung.

Seien Sie gerade in dieser bitteren und schweren Stunde meinerallervorzüglichsten Hochachtung versichert !

Ergebenst verbleibe ich

Reinhard Sczech


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15. Wippermann gibt auf

Am 9.8.1985 gibt Karl-Heinz Wippermann auf. Ich bekomme lapidar mitgeteilt: "Sehr geehrter Herr
Sczech, in o.a. Sache wird mitgeteilt, daß das Verfahren gegen Sie eingestellt worden ist."

Auf meine darauffolgende Beschwerde bekomme ich von der Kriminalpolizei alle beschlagnahmten Kopien und Orginal zurück.

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+++ streng geheim +++


In DER ZEIT vom 28.3.1986 wird über den Fall berichtet:

Zur Real-Satire geriet auch ein Briefwechsel des Ingenieurs Reinhard Sczech
aus Bell mit der Staatsanwaltschaft in Koblenz. Der Anlaß: Die regionale
Friedenszeitung Hunsrück-Forum hatte Lagekarten der Cruise-Missile-Bunker
veröffentlicht, die in anderen Medien vorher unbeanstandet erschienen waren.
Im Hunsrück wurde das mit Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmungen und
Ermittlungsverfahren als „Geheimnisverrat" geahndet.
„Die Geheimhaltung nimmt direkt proportional mit der Entfernung von der
Hasselbacher Raketenbasis ab", folgerte der Ingenieur und begann ein Spiel
mit der Justiz. Öffentlich verteilte er die Lagekarten an diversen Stellen im
Hunsrück und zeigte sich jeweils vorher beim Staatsanwalt an. Der schickte
stets und prompt seine Leute los. Der Ingenieur trieb die Sache auf die Spitze,
als er sich vom Presseamt in Bonn die „streng geheime" Lagekarte zuschicken
lies, die ihm im Hunsrück ein Verfahren wegen „sicherheitsgefährdenden Abbildens"
eingebracht hatte. Sofort war das Verfahren vom Tisch.
Eine wahre Geschichte aus dem Hunsrück, wo alles ein bißchen anders ist.

mehr siehe Zeit Archiv:


Das Kreuz da oben Charlotte Wiedemann | © DIE ZEIT, 28.03.1986 Nr. 14

© by Reinhard (James) Sczech, Bell/Kastellaun/Mainz 1986 / 2000 / 2005

e-mail: reinhard sczech de